Die Liste äußerer Belastungen ließe sich beliebig verlängern. Dabei ist aber folgendes zu beachten: Ihre Bedeutung bemisst sich nicht nach dem, was „man“ für richtig hält, sondern orientiert sich an den Grenzen, die den Betroffenen seitens der seelischen, geistigen und körperlichen sowie psychosozialen Fähigkeiten her gesetzt werden. Und hier wäre man dann bei den psychologischen oder innerseelischen Aspekten eines Burnout-Syndroms.

Das ist nicht sehr populär. Hinsichtlich der äußeren Belastungen sind alle einer Meinung, während man sich innerseelische und psychosoziale Schwachstellen nur bei anderen vorstellen kann. Und doch spielen meist beide Aspekte eine Rolle. Dabei ist es im innerseelischen Bereich zuerst einmal ein Faktor, der im Grunde nur Gutes verheißt: Einsatz, Initiative, Engagement, ja Überengagement. Das aber schließt auch die Gefahr von Überforderung und Erschöpfung mit ein. Oft wirkt schon die Diskrepanz zwischen hohem persönlichen Einsatzwillen, großen Erwartungen und dem grauen Arbeitsalltag ernüchternd. Dazu kommt in manchen Fällen die mangelhafte gemütsmäßige Belastbarkeit im Umgang mit Patienten, Kunden, Schülern usw. Natürlich werden diese auch immer anspruchsvoller, fordernder, reizbarer oder aggressiver. Jeder scheint nur noch seine Rechte, kaum einer noch seine Pflichten zu kennen. So ist es sicher nicht falsch, wenn vor allem auf das engere Umwelt für das Entstehen von „Ausbrenn-Syndromen“ hingewiesen wird.

Doch sind wir auch gehalten, psychologische Einflüsse zu klären. Denn die Kombination beider Aspekte ist wahrscheinlich das Naheliegendste. Häufig sind es auch Menschen mit Leistungswillen und Idealismus, die ihren beruflichen Aufgaben zwar gerecht werden wollen, dann aber bitter feststellen müssen, dass die erwarteten Erfolge und Anerkennungen ausbleiben, ganz zu schweigen von einem Minimum an Lob, das heute tatsächlich kaum mehr zu haben ist. So werden Misserfolge im Arbeitsfeld dann nicht nur als Kränkungen, sondern sogar als persönliche Niederlagen erlebt. Das führt schließlich im Laufe der Zeit zu Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls, zu Kommunikationsstörungen, schließlich Leistungseinbruch, depressiv und ängstlich gefärbten Erschöpfungszuständen und zuletzt zu vegetativen Funktionsstörungen (Herz-Kreislauf-, Magen-Darm-, Wirbelsäulenbeschwerden usw.).

Nicht wenigen Burnout-Betroffenen macht im übrigen Leben auch eine zunehmende Sinnleere zu schaffen. Bei fehlendem Sinnbezug drohen aber noch rascher Erschöpfung, Entfremdung und Erholungsunfähigkeit, und im Gefolge davon neurotische und psychosomatische Störungen, bei denen sich seelische Probleme in körperlichen Krankheitszeichen niederschlagen.

Manche Menschen unterschätzen auch ihre berufliche Qualifikation und damit Leistungsfähigkeit und sind getrieben von blindem Ehrgeiz mit all seinen Folgen. Kommen noch entgleiste Selbstbehandlungsversuche mit Alkohol, Nikotin, Medikamenten oder gar Rauschdrogen hinzu, ist die Situation schließlich völlig verfahren.

Der Wille zu Helfen und zu hervorragenden Leistung ermöglichen im Übrigen auch das Erlebnis, gut und gleichzeitig mächtig zu sein – eine ideale Kombination. Kommt es jedoch, entgegen der unrealistischen Wünsche, nicht zu dieser Selbstbestätigung, droht eine Ernüchterung, im Extremfall das Burnout-Syndrom. Das in Einzelfällen überstarke Streben nach Selbst-darstellung, Belohnung, Erfolg, Ruhm, öffentlicher Aufmerksamkeit und Dankbarkeit, das sich immer mehr auszubreiten scheint, wird inzwischen nicht nur als Sonderform süchtigen Fehlverhaltens bezeichnet, sondern kann der direkte unheilvolle Weg zum Burnout-Syndrom werden.

Menschen die sich überschätzen sind getrieben von einem bisweilen blinden Ehrgeiz, dessen Keim nicht selten schon in jungen Jahren von selber ehrgeizigen und falsch beratenen Eltern gelegt wurde, die ihre eigenen Grenzen durch den Erfolg ihres Kindes zu sprengen versuchen. So hat für manche „Ausgebrannte“ ihr Beruf, ihre Position, das Projekt an dem sie arbeiten usw. eine besondere, ja – uneingestanden – einzigartige Bedeutung: Selbstverwirklichung, Selbst-bestätigung, vielleicht sogar Selbsterhöhung als Selbstbehandlungsmaßnahme gegen miserable sonstige Bedingungen, als Therapie gegen Entmutigung,

Nichtbeachtung, Überforderung, Kränkung, Demütigung usw. oder auch das Gefühl, eigentlich nur durch Leistung und Anpassung geliebt, geschätzt oder zumindest akzeptiert zu werden.

Natürlich treffen die hier genannten Punkte auf die meisten Menschen in irgendeiner, wenngleich abgewandelten Form zu. Eine Direktverbindung zum Burnout-Syndrom lässt sich daraus noch nicht konstruieren. Ein wenig Burnout ist wohl in uns allen. Vermutlich hat es seinen Sinn. Doch der wird ins Gegenteil verkehrt, wenn sich die Mühsal des Alltags in ein Leidensbild verwandelt, das den Betroffenen lautlos, aber unerbittlich hin abzieht in eine selbst-zerstörerische Krankheit, deren Gefährlichkeit lange Zeit nicht erkannt wurde. Auf was muss man also achten, um ein Burnout-Syndrom zu verhindern, zumindest aber rechtzeitig zu erkennen und dann gezielt zu behandeln?