Kartäuserhof 24, Köln,
Rauchen ist wohl die eigenartigste Abhängigkeit, die es gibt. Andere Süchte haben wenigstens noch scheinbare Vorteile. Sie haben eine Kickphase und den Zeitraum der Entwöhnung oder einen Rausch und das Abklingen eines Rausches. Durch den Gebrauch des Mittels wird das Leben erst scheinbar schöner, spannender und angenehmer, danach folgt die Ernüchterung. Doch beim Rauchen gibt es keinen Rausch, nur die Entwöhnungsphase.
Rauchen verursacht ausschließlich Entwöhnungserscheinungen, und zwar in Form eines sehr leichten, beinahe unmerklichen Stresszustandes, der wiederum Zwangsgedanken verursacht. Zwangsgedanken finden wir unerfreulich, sie geben uns ein Gefühl von Unfreiheit und Abhängigkeit. Die nächste Zigarette beendet zeitweise diese Zwangsgedanken sowie den Entwöhnungsstress, und da erfahren wir als angenehm. Das Annehmen einer Zigarette könnte man vergleichen mit dem Kratzen an einem Mückenstich. Der verursacht ein Jucken, und wenn man kratzt, fühlt sich das gut an. Durch das Kratzen verschwindet der Juckreiz vorübergehend, und man hört mit dem Kratzen auf. Doch dann kehrt das Jucken zurück. Man kratzt erneut, und das ist ein köstliches Gefühl, denn der Juckreiz verschwindet wieder. Nach einiger Zeit kehrt der Juckreiz nicht mehr zurück und man hört mit dem Kratzen auf. Nie sieht man draußen jemanden herumlaufen auf der Suche ach einer Mücke, um wieder gestochen zu werden. Sich zu kratzen, ist nur angenehm, wenn es juckt. Sonst aber nicht, es ist sogar eher schmerzhaft. So ist auch das Rauchen nur köstlich, wenn man erst den `Juckreiz´ des Entwöhnungsstresses verspürt. Hat man den nicht, weil man kein Raucher ist, erfährt man das Einatmen von Rauch als unangenehm oder sogar schmerzhaft. Es ist also nicht so, dass Rauchen objektiv gesehen köstlich ist und man deswegen abhängig ist. Man wird abhängig, und dadurch lernt man gewissermaßen, das Rauchen köstlich zu finden. Man lernt, etwas zu genießen, was eigentlich widerlich und abstoßend ist. Dieses Phänomen zeigt sich auch bei anderen Drogenabhängigkeiten: Heroinsüchtige beispielsweise. Wer noch nie Heroin genommen hat, kann sich vielleicht noch vorstellen, dass die Wirkung sehr angenehm ist. Aber nicht vorstellbar ist es, dass das Einstechen einer Nadel durch die Haut in eine Ader ein schönes Gefühl sein kann. Der Abhängige entwickelt eine Art Faszination für das Abstoßende, auf das dann ein starkes Gefühl von Selbstabweisung folgt. Menschen rauchen nicht nur, weil sie es köstlich finden, sondern auch, weil sie die Zigarette als Hilfsmittel bei verschiedenen Gelegenheiten nötig haben. So raucht man, um sich besser konzentrieren zu können, aber auch, um sich besser entspannen zu können. Mit einer Zigarette ist man dem Stress mehr gewachsen, aber auch den Zeiten der Langeweile. Rauchen findet man in allerlei gegensätzlichen Situationen wieder. Eigentlich kann man mit dem Rauchen fast jeden gewünschten Effekt erzielen. Wenn man am Morgen schläfrig ist, raucht man, um munter zu werden. Wenn man nachts nicht schlafen kann, raucht man, um müde zu werden. Wenn man nicht konzentriert seiner Arbeit nachgehen kann, raucht man und wenn man sich konzentriert, raucht man, um sich entspannen zu können. Dass das Rauchen jede gewünschte Wirkung haben kann, liegt daran, dass Rauchen überhaupt keine eigene Wirkung hat. Die einzige Wirkung besteht darin, sehr leichte körperliche Entzugserscheinungen hervorzurufen, die von der Psyche umgesetzt werden in die Vorstellung, eine Zigarette nötig zu haben, so dass man zwanghaft an eine Zigarette denkt.